Von Tauno M. Lang, München
Wer hätte das jemals gedacht, dass der estnische Film einen runden Geburtstag in der „Weißwurst-Metropole“ München feiern wird? Diese Filmgeschichte und was daraus geworden ist macht neugierig, wenn man -sage und schreibe- dabei auf stolze 100 Jahre zurückblicken kann!
Das Erstlingswerk der estnischen Filmschaffenden geht auf den Regisseur, Film- und Fotopionier Johannes Pääsuke zurück, der noch zur zaristischen Zeit mit dem 11-minütigen Filmstreifen in Schwarzweiß „Karujaht Pärnumaal“ (Deutsch: Bärenjagd im Pernauer Land) von sich Reden machte. Kurzum, er handelt von der feinen Gesellschaft um einen gewissen Herrn Frackmann, die wild entschlossen einen vermeintlich gefährlichen Bären im Wald zur Strecke zu bringen will. In der operativen Hektik schießen sich die Jäger in ihrer Trottelhaftigkeit aber gegenseitig über den Haufen und müssen am Ende ihre eigenen Wunden lecken, während Meister Petz unverletzt seiner Wege davon trottet. „Wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung“, so hätte die Stummfilmkomödie auch betitelt werden können, weil sie damals gesellschaftskritisch die Zeit satirisch aufs Korn nimmt.
Das Programm der diesjährigen Estnischen München von 14.-17. März 2013 (erstmals 2011) macht neugierig auf die vielfältigen Themen sowie die neueren Dokumentar- und Spielfilme estnischer Regisseure und die teilweise begleitenden Diskussionsrunden.
Das estnische Frauendreigestirn unter Federführung von Karin Kitsing, Karin Ladva-Zoller und Margit Urbel haben ihre Fühler intensiv ausgestreckt, um für das verwöhnte Publikum kulturelle Raritäten in die Kulturhauptstadt Deutschlands zu holen – wie einige der Higlights aus dem umfangreichen Programm:
Mit „24 prelüüdi ühele fuugale“ (24 Präludien für eine Fuge) wird die cineastische Arbeit von Dorian Supin über Arvo Pärt, den Ausnahme-Komponisten unserer Zeit, facettenreich vorgestellt.
Was unter dem „Kaplinski süsteem“ zu verstehen ist, wird sich in einem besonderen Film von Raphael Gianelli-Meriano offenbaren, der sich vielfältig mit der Schlüsselfigur der estnischen Literatur auseinander gesetzt hat. Der gebürtige Südeste Jaan Kaplinski schöpft für sein literarisches Schaffen u.a. aus der fern-östlichen Philosophie und Geisteswelt und deshalb gibt es für ihn viele Unterschiede, aber nicht so viele Grenzlinien. Und über sich selbst sagte der Schriftsteller, Übersetzer und Philosoph einmal den bedenkenswerten Satz: „Die Natur hat mich als einen ihrer verlorenen Söhne angenommen.“
Die Filmemacherin Ulrike Koch hat eine Dokumentation über eine für „urbane Ohren“ exotisch anmutende Gesangskultur mit dem Titel „Regilaul – laulud õhust (Regilaul – Lieder der Luft) verfasst. Atemberaubende einfache Klänge zu berührenden Bildern der flüsternden estnischen Landschaft, die erahnen lassen, dass die Esten seit alters her in Einheit mit Land, Wasser, Steinen, Tieren und Pflanzen ihrer Heimat tief verwurzelt sind.
Auch die Kinder werden mit sog. Puppenanimationsfilmen zu dieser interessanten Veranstaltungsreihe gelockt: Geschichten über Miriam sowie irgendwelcher Karotten und was in einem Trauminstitut so alles passiert, das lohnt sich allemal anzusehen!
Zur Eröffnung steht der aktuelle Dokumentarfilm Uus maailm “(Neue Welt)von Jaan Tootsen am Donnerstagabend auf dem Plan und zur Diskussionsrunde haben sich der estnische Produzent Jaak Kilmi, Kulturattaché Harry Liivrand (Estnische Botschaft Berlin) und Dr. Matthias Makowski (Goethe Institut) angesagt.
Das verspricht spannend zu werden, besonders aber Estland, das nördlichste Land des Baltikums, mit Mensch und Natur in der Filmkunst zu entdecken.
Zur Info: Alle Filme laufen im Vortragssaal der Stadtbibliothek im Münchner Kulturzentrum Gasteig, mehr unter www.estnische-filmtage.de
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