Der Bund fördert drei Jahre lang die Erschließung und Sicherung des Archivs der Carl-Schirren-Gesellschaft zur Geschichte der Deutschbalten. Das Archiv in Lüneburg kann jetzt 400.000 Euro für seine etwa 23.000 Archivalien einsetzen – neben rund 60.000 Euro an Eigen- bzw. Drittmitteln.
Die vielfältige Kultur und die lange Geschichte der Deutschen im östlichen Europa sind Teil unserer Identität und inzwischen auch ein verbindendes Element in einem gemeinschaftlichen Europa. Dazu gehören auch die wertvollen Überlieferungen zur deutsch-baltischen Geschichte, die es für kommende Generationen zu sichern und für die internationale Forschung zugänglich zu machen gilt.
Erklärte Kulturstaatsministerin Grütters
Die Carl-Schirren-Gesellschaft sammelt, bewahrt und vermittelt Kulturgut der Deutschbalten, also jener Deutschen, die selbst oder deren Vorfahren in Estland und Lettland lebten. Sie veröffentlicht eigene Publikationen und organisiert ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm. Das Archiv entstand neben einer umfassenden Bibliothek und einer beeindruckenden Sammlung musealer Güter Anfang der 1950er Jahre und stand über drei Jahrzehnte unter der Leitung der hochverdienten Renate Adolphi, die 1923 in Riga geboren wurde und im August 2021 in Lüneburg verstorben ist.
Hier lagern mehr als 50 Personennachlässe, unter anderem von Ernst Fedor Spehr (1863-1935), des bedeutendsten Erforschers der Stadtgeschichte von Libau/Liepaja in Lettland (Kurland) im 20. Jahrhundert, sowie der Nachlass von Georg Julius Schultz-Bertram (1808-1875), des Arztes und Schriftstellers, der das Entstehen des estnischen Nationalepos “Kalevipoeg” förderte. Wichtig sind auch die Archive der deutschbaltischen studentischen Korporationen. Es gibt Sammlungen von Urkunden, Manuskripten, Landkarten und Fotografien.
Es sind Archivschätze, die schon jetzt Forscher aus dem In- und Ausland anziehen. Einige Beispiele: Ein Forscher aus Lüneburg wartet dringend darauf, dass die Unterlagen der studentischen Korporationen bearbeitet werden. Eine estnische Forscherin aus Tartu/Dorpat und ein russischer Forscher aus Moskau möchten so bald wie möglich auf den Nachlass von Schultz-Bertram zugreifen.
Im Laufe der Zeit ist der Archivbestand stark angewachsen. Wegen der angespannten personellen Situation und der bisher prekären Raumsituation war es bisher schwierig, die Bestände systematisch zu erschließen, zu magazinieren und der interessierten Öffentlichkeit zur Nutzung zur Verfügung zu stellen. Deshalb ist die neue Förderung durch den Bund so wichtig, sagt Dr. Peter Wörster, Leiter des nun begonnenen großen Archivprojekts der Carl-Schirren-Gesellschaft: Mit dem Geld sollen 1,5 Arbeitsstellen besetzt und ein großer archivgerechter Magazinraum gemietet werden. Außerdem kann technische Ausrüstung angeschafft werden. So soll die Ordnung und Verzeichnung sowie die ordnungsgemäße Langzeit-Lagerung der Archivbestände gewährleistet werden. Diese Förderung des Bundes ist ein bedeutender Schritt auf dem Weg zur Professionalisierung der Archivarbeit. Die Bedeutung des Archivs für die internationale Forschung wird dadurch deutlich unterstrichen.
Am 1. September beginnt Dorothee M. Goeze ihren Dienst im Brömsehaus. Sie war in einem internationalen Verfahren für eine Vollzeitstelle des Projekts ausgewählt worden.
von Jürgen Buch
Kontakt für Interviews und Recherchen:
Carl-Schirren-Gesellschaft, Am Berge 35, 21335 Lüneburg: Dr. Peter Wörster, Telefon: 0171 171 0976, e-mail: [email protected]
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