Wenn auf den Färöern der „Grindaboð“ ausgerufen wird, nimmt dies meist ein blutiges Ende: Es ist der Aufruf zum „Grindadráp“, der traditionellen Grindwaljagd, die auf der kleinen Inselgruppe im Nordatlantik seit dem 16. Jahrhundert ausgeübt wird. Durchschnittlich zehn Mal im Jahr lassen die Färinger beim Klingeln ihres Handys, bei der Durchsage im Radio alles stehen und liegen, verlassen ihren Arbeitsplatz oder sogar den sonntäglichen Gottesdienst und treiben mit Motorbooten die gesichtete und beim Polizeiamt gemeldete Schule von Grindwalen in eine der vierundzwanzig anerkannten „Hvalvágir“, den Walbuchten, in denen das Schlachten der zu den Delfinen zählenden Kleinwalen erlaubt ist. Mit speziellen Fanghaken werden die Tiere gegriffen, ans Ufer gezogen und mit einem Schnitt im Nacken getötet. Bis zu hundert Tieren werden so manchmal an nur einem Tag geschlachtet – pro Jahr sind es manchmal über tausend, denn die Jagd unterliegt keinen internationalen Kontrollen. Die durch das Internationalen Walfangkomitee (IWC) festgelegten Fangquoten regulieren nur die Jagd der bedrohten Großwale; auf den Färöern werden jedoch ausschließlich Kleinwale wie die erwähnten Grindwale, aber auch Große Tümmler, Weißseitendelfine und Entenwale gejagt, die nicht in die Verantwortlichkeit des IWC fallen.
Aufgrund der klimatischen und geografischen Lage der Färöer hing das Überleben des Volkes früher stark vom Jagderfolg der Walfänger ab; das Fleisch der Grindwale gilt als sehr nahrhaft, der aus dem Speck gewonnene Tran als vitaminreich. Heute jedoch, in Zeiten der Globalisierung, des europäischen Binnenmarktes, des Internets, in denen die Lebensmittelversorgung durch Importe gesichert werden kann und die Färöer als reiches, modernes Land gelten, dessen jährliches BIP westeuropäischen Standards entspricht, ist der „Grindadráp“ allein auf seine Funktion des kulturelles Großevents zu reduzieren. Als Teil ihrer Kultur und Identität verteidigen die Färinger die blutige Jagd gegen energische Tierschützer, romantisieren sie als althergebrachte Tradition und argumentieren mit strengen Jagdregeln, die nur bestimmte Waffen erlauben und das Töten damit human machen sollen.
Wer sich jedoch dem unzähligen Bild- und Videomaterial widmet, das unter anderem von verschiedenen Walschutzorganisationen durch das Internet verbreitet wird, erhält schnell den Eindruck eines grausamen Schlachtfestes: Blutrot gefärbte Buchten inmitten einer idyllischer Märchenlandschaft, abgetrennte Walköpfe am Wegesrand, spielende Kinder zwischen aufgeschlitzten Kadavern. Von Walschützern, wie dem WDC (Whale and Dolphin Conservation), wird der färingische Walfang scharf kritisiert und auf allen Ebenen bekämpft. Gegen den verbotenen Handel mit Walfleisch wurde bereits 2010 Strafanzeige bei der Generalstaatsanwaltschaft in Kopenhagen gestellt, das Verfahren läuft bis heute. Durch akustische Warngeber, sogenannte „Pinger“, die ab April 2013 in den Gewässern rund um die Walfangbuchten platziert werden, sollen die Delfine von den Färöern ferngehalten werden; ähnliche Projekte gibt es bereits in der Nord- und Ostsee zum Schutz der dort heimischen Schweinswale. Hinzu kommen unzählige Online-Protestaktionen, die schon seit Jahren rund um den Globus verbreitet werden und auch immer mehr Färinger selbst sprechen sich gegen die Grindwaljagd aus.
Abgesehen von den Tierschutzgründen, die viele Aktivisten dazu motiviert, sich gegen den Grindadráp einzusetzen, treten seit geraumer Zeit jedoch auch die Gesundheitsbehörden auf den Plan. Das Fleisch der Wale ist aufgrund der Vergiftung der Meere stark toxisch, Gifte wie Quecksilber, PCB und Kadmium wurden in ihm nachgewiesen. Der regelmäßige Verzehr des Grindwalfleisches ist deshalb stark gesundheitsgefährdend. In unabhängigen Studien wurde festgestellt, dass färingische Kinder durch die toxische Belastung besonders oft unter Entwicklungsverzögerungen, Aufmerksamkeits – und Sprachstörungen leiden, außerdem sind die Zahlen der Parkinsonerkrankten auf den Färöern vergleichsweise hoch. Im Juli 2012 forderte deshalb die färingische Gesundheitsbehörde gemeinsam mit dem obersten Amtsarzt der Färöer, den Verzehr des kontaminierten Walfleisches zu unterlassen; besonders Schwangeren, Kindern und Jugendlichen wird davon abgeraten.
Trotzdem werden auf den Färöern noch Wale gejagt und verzehrt: Im letzten Jahr brachten es die Färinger auf 716 geschlachtete Tiere.
Quellen:
http://www.wdsf.eu/index.php/aktionen/faeroeer-walfang
http://www.walschutzaktionen.de/226301/home.html
http://www.wdcs-de.org/news.php?select=1316
Bilder: Hans Peter Roth/diebucht.ch
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