Geschichte

Der vergessene Krieg: Ein Besuch bei den Schauplätzen der Isonzoschlachten

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Vor 100 Jahren, am 28. Juni 1914, begann mit dem Attentat auf den österreichischen Thronfolger, Erzherzog Franz Ferdinand, und seine Frau Sophie das große Töten, das bis 1918 andauern sollte

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Der Thronfolger und politische Akteur Franz Ferdinand (links im Bild) ist hier während eines offiziellen Besuchs in Leipzig zu sehen. Foto: Bettman/Corbis

Am Donnerstagabend haben sich die 28 Staats- und Regierungschefs der EU zum Auftakt ihres Gipfels in Flandern versammelt. In Ypern erinnerten sie an die Schrecken des Ersten Weltkriegs.

Fast auf den Tag genau vor 100 Jahren, am 28. Juni 1914, begann mit dem Attentat auf den österreichischen Thronfolger, Erzherzog Franz Ferdinand, und seine Frau Sophie das große Töten, das bis 1918 andauern sollte. In der Erinnerung vieler steht dafür die Westfront mit Orten und Städten wie Langemark in Flandern, dem Hartmannsweiler Kopf in den Vogesen und vor allem Verdun in Lothringen. Hunderttausende von Soldaten fanden dort den Tod.

Ähnlich brutal ging es zwischen deutschen, österreichischen und italienischen Truppen in den Alpen zu, im heutigen Dreiländereck zwischen Italien, Slowenien und Österreich. Die zwölf Isonzoschlachten, benannt nach einem Fluss in der Region, gelten nach den Kämpfen bei Verdun als die verlustreichsten Auseinandersetzungen überhaupt. Mehr als 700.000 Soldaten sollen zwischen Juni 1915 und November 1917 verwundet oder getötet worden sein – bei “Gebietsgewinnen”, die die 30-Kilometer-Marke nicht überschritten.

Der Historiker Alexander Jordan bezeichnet diesen Frontabschnitt als einen “der menschenunwürdigsten im ganzen Weltkrieg”. Hierzulande sind die Erinnerungen daran wenig präsent. Und vor Ort finden sich nur noch wenige Spuren jenes Vielvölkergemischs aus Österreichern, Italienern, Slowenen und Friulanern, das vor dem Krieg die Gegend bewohnte. Ein Beispiel ist Cave del Predil in Italien, nur wenige Kilometer von der slowenischen Grenze entfernt.

Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs gehörte der Ort – damals noch unter dem Namen Raibl – zur österreichischen Donaumonarchie. Seitdem ist er unter italienischer Hoheit. Die ganze Region war seit dem Mittelalter begehrt wegen ihrer reichen Blei- und Zinkvorkommen. Kein Wunder, dass das örtliche Bergwerk einst bis zu 1.100 Arbeiter beschäftigte. Dank des technischen Fortschritts wohnten die Menschen Ende des 19. Jahrhunderts in modernen Mehrfamilienhäusern, die bereits über elektrisches Licht verfügten. Das ist längst passe. Aufgelassene Fabrikgebäude und leere Fensterhöhlen verleihen Cave del Predil die Atmosphäre eines Geisterdorfes.

Hinter dem kleinen Nest steigt die Straße sanft an auf den Predilpass, der die Grenze zwischen Italien und Slowenien markiert. Bald schon schimmert dort grünblau ein Fluss, der dem touristischen Namen der Route, “Smaragdstraße”, alle Ehre macht. Trügerische Idylle: Es war dieser Wasserlauf, der der Isonzofront ihren Namen gab. Die Soca, wie sie auf Slowenisch heißt, führt in ein Zentrum des damaligen Geschehens, die Kleinstadt Kobarid (Karfreit). Hier fand im Oktober 1917 die zwölfte und letzte Isonzoschlacht statt, an deren Ende ein Sieg der deutsch-österreichischen Truppen über die italienischen Verbände stand. Doch das “Wunder von Karfreit” kannte letzten Endes nur Verlierer. Insgesamt waren eine Million Soldaten an den Kämpfen beteiligt, 400.000 Zivilisten befanden sich anschließend auf der Flucht.

In einem barocken Anwesen im Herzen der Altstadt lässt das “Kobariski Muzej” die Schrecken des Krieges lebendig werden. Es zeigt Fotos von Soldaten, deren Gesichter durch Granatenexplosionen grausam entstellt sind. Nachgebaute Schützengräben geben dem Besucher eine Vorstellung vom Frontalltag an den kahlen Steilhängen der Alpengipfel. Ob in Schnee und Eis oder während der kurzen Sommerperiode: Monatelang waren Soldaten im Hochgebirge damit beschäftigt, Stollen in den Fels zu graben, um anschließend die Stellungen des Gegners im wahrsten Sinne des Wortes zu sprengen.

Auch dem US-Schriftsteller Ernest Hemingway (1899-1961) ist ein Raum gewidmet. Der Nobelpreisträger verarbeitete seine Erlebnisse als Sanitäter im Hinterland der Isonzofront in seinem Roman “In einem anderen Land”. Den Waffen für immer Lebewohl zu sagen, wie es der Originaltitel der Erzählung – “A farewell to arms” – nahelegt, wird wohl ein großer Menschheitstraum bleiben. Trotz der Vielzahl an Gedenkveranstaltungen, die in den kommenden Monaten im Gedenken an den Ersten Weltkrieg den Frieden beschwören.

 

von Joachim Heinz (KNA)

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