Eine grausame Tat entsetzt die Kulturszene, nicht nur in Russland: Der Ballett-Chef des Moskauer Bolschoi Theaters, Sergej Filin ist bei einem Säureanschlag schwer verletzt worden. Wie die russischen Medien berichten, kämpfen Ärzte eines Moskauer Krankenhauses um das Augenlicht des 42-Jährigen . Den Darlegungen zufolge wird der Künstler von den besten Moskauer Spezialisten behandelt. Filin soll mindestens ein halbes Jahr für seine Heilung benötigen.
Filin, der seit 2011 die größte und berühmteste Balletttruppe der Welt seit 2011 führt, war am späten Donnerstagabend (17. Januar) vor seiner Wohnung von einem Unbekannten angegriffen worden. Der Familienvater trug schwere Verätzungen an den Augen und am Kopf davon. Der Täter entkam. Es wird wegen schwerer Körperverletzung ermittelt. Ob der Künstler seine volle Sehkraft wiedererlange, stehe erst in zwei Wochen fest, sagte Chefarzt Alexander Mititschkin der Agentur Interfax zufolge.
Auf der Suche nach dem unbekannten Angreifer vernahmen die Ermittler schon Mitarbeiter und Bekannte des Tänzers. Die Suche nach dem Täter würde sich auf das berufliche Umfeld des Ballett-Chefs konzentrieren, so Vize-Regierungschefin Olga Golodez. Sie hat in Absprache mit dem Kreml die Kontrolle über die Strafverfolgung des Falls übernommen.
Der Posten des Ballett-Leiters an dem berühmten russischen Theater gilt als einer der einflussreichsten in der Welt des Tanzes – und als einer der umkämpftesten. Filin bestimmt, welche Tänzer welche Rollen übernehmen – was oft zu Auseinandersetzungen führt. Der Familienvater hatte Zeitungsberichten zufolge viele Futterneider. Seine Kollegen berichteten, dass zuletzt auch Internetseite von Filin gehackt und mit Beleidigungen übersät worden sei. Zudem seien seine Autoreifen zerstochen worden
Sergei Filin ist ein Balletttänzer von Weltklasse. Er ist in Moskau geboren, ihm wird Besonnenheit und Diplomatie zugeschrieben. Ab 2008 war er Ballettdirektor des Moskauer Stanislawski- und Nemirowitsch- Dantschenko-Musiktheaters, das unter seiner Führung zu einer der fortschrittlichsten Bühnen des Landes aufstieg und wurde im März 2011 zum künstlerischen Leiter des Bolschoi-Balletts ernannt, nachdem die vormaligen Leiter Juri Burlaka und Gennadi Janin die Bühne nach einem Pornografie-Skandal verlassen mussten.
Krieg hinter pompöser Fassade
„Zickenkrieg in der Ballett-Compagnie?“, fragt Stefan Lüddemann in der Neuen Osnabrücker Zeitung. Weit untertrieben. Hinter der pompösen Fassade des Bolschoi tobt offenbar ein Machtkampf wie unter verfeindeten Mafia-Clans. Und der wird mit Methoden ausgetragen, die sich mit grazilem Spitzentanz kaum zu vertragen scheinen. In der Welt des schönsten Scheins geschehen ekelhaft hässliche Dinge. Wie furchtbar, und wie nachvollziehbar. Denn das Bolschoi funktioniert nach den Gesetzen von Kaste, Kaderschmiede und Kaserne. Wer sich in Moskaus Theatertempel etablieren will, muss gleichzeitig extrem leistungsbereit und durchsetzungsfähig sein. Das geschlossene Elitesystem erzeugt einen Binnendruck, der sich jetzt in extremer Weise entladen hat. Wie der Alltag zermürbender Konkurrenzkämpfe aussieht, kann man sich auf dem Hintergrund des Anschlags bestens plastisch vorstellen.
Der Säureanschlag trifft doppelt, weil er der Gesundheit und dem Nimbus des Ballettchefs in gleicher Weise gilt. Filin wird wohl entstellt bleiben, in der Welt glatter Schwanensee-Eleganz ein vernichtender Makel. Er hat offenbar nicht nur Karrieristen gekränkt, sondern auch Interessen mächtiger Männer geschadet. Das Bolschoi im Fadenkreuz des Verbrechens? Was für eine Vorstellung.
Fotos: Bolschoi Theater
Die Theatersaison begann gewöhnlich im September und dauerte bis Ende Mai (wie heute). Früher jedoch wurden die Theaterstücke nur zweimal in der Woche aufgeführt. Nur im Winter, wenn die adligen Herrschaften nach Moskau zurückkamen, wurden Opern und Balletts auf der Bühne öfters aufgeführt. Dies war auch die Zeit der Maskenbälle. Heutzutage können Opern- und Theaterfans jeden Tag das Bolschoi Theater besuchen. Eine radikale Änderung des Publikums Geschmacks geschah im Jahre 1870, als allmählich russische Opern wie “der Damon” von Rubenstein (1881), “Eugeny Onegin” von Chaikovsky (1881), “Boris Godunov” von Mysorgsky (1888), “der Prinz Igor” von Borodin (1893) und andere aufgeführt wurden. Im Jahre 1899 wurde Fedor Shaliapin, der grosse russische Sanger, Mitglied des Ensemble. Die großen russischen Operntheater waren nicht nur musikalische Kulturzentren sondern auch Akademien professioneller Kunsttechniken.
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