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Protest gegen Rechtextremisten in Karlsruhe: Wir sind alle Menschen

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Gegendemonstranten in Karlsruhe

Gegendemonstranten in Karlsruhe

Rund 2.500 Menschen haben am Samstag (25. Mai) in Karlsruhe eine Kundgebung von Rechtsextremisten verhindert: Der geplante Neonazi-Marsch zum Bundesverfassungsgericht ist nach engagiertem Widerstand von Gegendemonstranten abgesagt worden, obwohl sie zunächst von Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim genehmigt worden war.

Ursprünglich wollten die rechten Extremisten mit dem Aufmarsch in die deutsche Justizmetropole für „Freiheit für alle politischen Gefangenen – Für die Wahrung des Artikel 5 Grundgesetz” demonstrieren. Namentlich wurden acht Männer genannt, die Haftstrafen absitzen.

Für die Karlsruhe hatten sich die Anführer wegen des Sitzes des Bundesverfassungsgerichts entschieden, das der Kundgebung in Hinblick auf den Prozess über die von der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) verübten Tötungsdelikten bundesweite Bedeutung verleihen sollte. In München sitzen zur Zeit auf der Anklagebank unter anderem Beate Zschäpe, angebliche Mithelferin bei der zehn NSU-Morden mit rassistischen Hintergrund und Ralf Wohleben, mutmaßlicher Unterstützer der braunen Gruppe.

Polizei trennt die Demonstranten

Polizei trennt die Demonstranten

Neonazi-Gegner verhindern den Aufmarsch
Die Protestierer konnten in Karlsruhe mit ihrer Blockadetaktik verhindern, dass etwa 200 Neonazis, 100 weniger als angemeldet, zum Gebäude des höchsten deutschen Gerichts am Schloss Karlsruhe durch die Stadt ziehen konnten. Rund 60 braungesinnte, die nach Veranstaltungsschluss in Karlsruhe noch spontan zu benachbarter Orten Bruchsal und Mühlacker ziehen wollten, wurden von der Polizei festgehalten und zur Abreise geleitet.

Polizei trennt die DemonstrantenInsgesamt 1350 Polizeibeamte waren vor Ort um die Veranstaltung zu sichern. Ihre Aufgabe war es die verfeindete Gruppierungen von einander fern zu halten. Laut Aussagen der Verantwortlichen hatte die Versammlungsbehörde kurzfristig entschieden, den geplanten Demonstrationszug durch die Stadt zu untersagen, da sich die Polizei nicht in der Lage sah, dabei die öffentliche Sicherheit zu garantieren. Vor allem, weil es zuvor zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen Ordnungshütern und etwa 40 Personen, vermutlich aus der links-radikalen Szene, gekommen war. Angehörige dieser Gruppe versuchten die Gittersperren zu übersteigen und bewarfen die Polizisten mit verschiedenen Gegenständen. Ein Beamter musste wegen einer Augenverletzung ins Krankenhaus eingeliefert werden, zehn weitere wurden leicht verletzt. Bei der Konfrontation setzte die Polizei kurzfristig Schlagstöcke und Pfefferspray ein, wodurch laut Behördeninformationen mehrere Randalierer Verletzungen davon trugen. Das linke Antifaschistisches Aktionsbündnis (AAKA) gab an, dass es 15 Verletzte in den eigenen Reihen gegeben hatte, eine Person sei wegen eines offenen Bruchs in Krankenhaus behandelt worden.

Bürgermeister Wolfram Jäger schafft sich einen Überblick

Bürgermeister Wolfram Jäger schafft sich einen Überblick

“Wir hatten letztlich die Wahl, die harmonisch auftretenden Demonstranten gewaltsam zurückzudrängen, um die Nazis marschieren zu lassen, oder nachzugeben und, etwa zwölf mal weniger, auf Krawall gebürstete Menschen stehen zu lassen”, so Bürgermeister Wolfram Jäger laut ka-news. Schließlich beschlossen die Behörden, die angemeldete Nazi-Demo abzusagen und ihnen lediglich eine stillstehende Veranstaltung zu genehmigen. “Alles andere wäre unverhältnismäßig gewesen”, so Leitender Polizeidirektor Roland Lay auf einer Pressekonferenz am 27. Mai.

Neonazis wollen wieder kommen
Der Entscheidung der Polizeikräfte, ihren Marsch in die Stadtmitte zu verhindern, fügten sich die Rechtsextremisten ärgerlich. Höchstwahrscheinlich ist es nur dem Antikonflikt-Team der Behörde zu verdanken, dass es doch nicht zu Eskalation zwischen Rechten und Linken kam. Durch ihre Lautsprecheranlage kündigten die Demonstranten an, in diesem Jahr noch einmal wiederzukommen. Nach dem Ende wurden die Nachläufer Hitlers wieder zu ihren Bussen und Zügen zurück geleitet.

Einige beteiligte Nazis hätten bereits im Internet gedroht, rechtliche Schritte gegen das spontane Demonstrationsverbot der Behörden einzuleiten – “wir sehen uns bald wieder”, soll es provozierend seitens der rechten Szene geheißen haben. Auf diese Ankündigung reagierte Oberbürgermeister (OB) der Stadt Karlsruhe, Dr. Frank Mentrup laut ka-news gelassen: “Abwarten – die sollten sich das genau überlegen.”

Der Bahnhofsbereich war am Samstag ab sieben Uhr morgens bis spät Nachmittags weitläufig rundum abgesperrt, die Reisenden mussten Verkehrsbehinderungen in Kauf nehmen. Ein junges Paar aus China, das ihr Zug erreichen wollte, war erschrocken von der gegenseitigen Hass der Demonstranten.

Gegendemonstranten tanzen zur türkischer Musik

Gegendemonstranten tanzen zur türkischer Musik

Extremismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen
Ein breites Bündnis aus Kirchen, Organisationen und Verbänden bekannte sich – ebenso wie der Gemeinderat der Stadt Karlsruhe in seiner einstimmig verabschiedeten Resolution – klar zu Toleranz und Vielfalt im städtischen Miteinander. Die Metropole organisierte in der Nähe des Bahnhofes eine Veranstaltung mit “Rap gegen Rechts”. Flammende Reden gegen den Rassismus hielten OB Mentrup, Porsche-Betriebsratsvorsitzender Uwe Hück, der Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK), Wolfgang Grenke und der türkische Generalkonsul in Karlsruhe, Serhat Aksen. Die Pfarrerin Ulrike Krumm vertrat mit ihrem Beitrag sowohl das katholische Dekanat wie auch die evangelische Kirche in Karlsruhe.

Die deutsche Metropole des Rechts stellte sich schon im Vorfeld der angekündigten braunen Demonstration gegen die Menschenrechte gefährdenden Bestrebungen: 280 große Flaggen mit klaren Botschaften wehten in der zentralen Plätzen der Stadt. Die Menschen trugen Buttons, auf denen Karlsruhe für Toleranz und Vielfalt wirbt, sich gegen Hass und Fremdenfeindlichkeit positioniert, sich gegen alte und neue Nazis wendet und für Grund- und Menschenrechte eintritt.

Oberbürgermeister von Karlsruhe Dr. Frank Mentrup (links). Neben ihm türkische Generalkonsul Serhat Aksen

Oberbürgermeister von Karlsruhe Dr. Frank Mentrup (links). Neben ihm türkische Generalkonsul Serhat Aksen

OB Mentrup betonte, dass Kampf gegen den Rassismus klare Bekenntnisse braucht. Als bei der Schaufahrt vom 16. Mai 1933 prominente Karlsruher Sozialdemokraten in das Konzentrationslager Kislau bei Bruchsal verschleppt wurden, sei dies aus zwei Gründen möglich gewesen: “Es gab keine Menschen- und Grundrechte mehr und es gab keine Gesellschaft mehr, die darauf Wert gelegt hätte.”

Hück verlangte in einem emotionalen Rede mehr Respekt gegenüber Anderen: “An unserer Hand haben wir fünf unterschiedliche Finger, die nur zusammen brauchbar sind”, sagte er. Man müsse besonders die Jugendlichen auffangen und ihnen Perspektiven bieten, “damit sie keinen Halt bei den Nazis finden”, mahnte er.

Wie bedeutend ausländische Experten auch für die Karlsruher Wirtschaft sind, brachte Industrie- und Handelskammer-Präsident Wolfgang Grenke hervor. “Uns interessiert als Unternehmen nicht die Abstammung unserer Mitarbeiter, sondern die Kompetenz”, sagte Grenke.

Quelle und Bilder: Das Baltikum-Blatt
Mit freundlicher Genehmigung

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