Am 20. Juni um 20 Uhr findet eine neue Aussage der Reihe von Römerbaddialogen statt. Diesmal wird im Hofsaal des historischen Grandhotels in Badenweiler Thilo Sarrazin sein. Sein Thema „Europa braucht den Euro nicht“. Das Abend wird moderiert von Essayisten, Kulturhistoriker und Juristen Manfred Osten.
Vladimir Saal, Geschäftsführer des Grandhotel Römerbad, freut sich schon auf seine Gäste:
„Thilo Sarrazin polarisiert wie kaum ein Anderer die deutsche Gesellschaft. Weil er den Finger in die Wunde legt und seine Argumente solide untermauert. Seine Lesungen sind regelmäßig ausverkauft, er spricht vielen Menschen aus der Seele und ist ein souveräner Redner, der das Publikum in seinen Bann zu ziehen vermag. Die erfolgreichen Verkaufszahlen seiner Bücher sprechen für sich. Seinen Dialogpartner Manfred Osten kennen wir in Badenweiler bereits als bestens vorbereiteten Sparringspartner der Podiumsgäste.“
Provokante und kontroverse Thesen von Sarrazin
Sarrazin stieß im vergangenen Jahren durch provokant formulierte und kontroverse Thesen zur Finanz-, Sozial- und Bevölkerungspolitik verschiedene gesellschaftliche Diskussionen an.
Nachdem Volkswirt mit Ratschlägen an Hartz-IV-Empfänger überregional bekannt geworden war und mit „Deutschland schafft sich ab“ einen umstrittenen Bestseller geschrieben hatte, schied er aus dem Vorstand des Deutschen Bundesbank aus. Zwei gegen ihm angestrengte Parteiordnungsverfahren mit dem Ziel seines Ausschlusses aus der SPD scheiterten.
Im Mai 2009 sagte Sarrazin gegenüber dem Magazin „Stern“ zum Umgang Arbeitsloser mit Energie: „‚Hartz-IV‘-Empfänger sind erstens mehr zu Hause; zweitens haben sie es gerne warm, und drittens regulieren viele die Temperatur mit dem Fenster“.
Das Sozialsystem müsse so geändert werden, „dass man nicht durch Kinder seinen Lebensstandard (d.h durch Kindergelderhalt) verbessern kann, was heute der Fall ist“. Vielmehr müsse die Politik dafür sorgen, dass nur diejenigen Kinder bekommen, die „damit fertig werden“. Die Rentenerhöhung vom Juli 2009 nannte er eine „völlig unsinnige Maßnahme“, stattdessen müsse die Bundesregierung die Bürger darauf vorbereiten, dass Altersbezüge „langfristig auf das Niveau einer Grundsicherung sinken werden. Der Sozialverband VdK Deutschland reagierte empört: „Es ist an Absurdität kaum zu übertreffen, dass man seinen Lebensstandard durch Kinder verbessern können soll. Diese Frauen brauchen mehr und nicht weniger staatliche Unterstützung für ihre Kinder – und keine zynischen Kommentare von Herrn Sarrazin.“
In Jahr zuvor hatte Verwaltungsspezialist Tipps gegeben, wie Sozialhilfeempfänger sich für weniger als vier Euro pro Tag ernähren könnten. Kritik dazu kam vom Deutschen Caritasverband, dem Paritätischen Wohlfahrtsverband und der damaligen Berliner Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner. Der CDU-Politiker und frühere Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit, Heiner Geißler, stellte fest: „Die Fehler, Irreführungen und defizitären Argumente des Senators schreien zum Himmel und werfen ein schlechtes Licht auf die Berliner Finanzverwaltung.“ Man dürfe auch fragen, „ob ein Berliner Regierungsmitglied mit ‚Geiz ist geil‘-Parolen arme Leute folgenlos verhöhnen darf.“ Wenn Massenarmut in Wut und Aggression umschlügen, trügen auch „politische Provokateure wie Sarrazin“ dafür die Verantwortung.
Über die türkischen und arabischen Einwanderer äußerte Sozialdemokrat wörtlich: „Die Türken erobern Deutschland genauso, wie die Kosovaren das Kosovo erobert haben: durch eine höhere Geburtenrate. […] Integration ist eine Leistung dessen, der sich integriert. Jemanden, der nichts tut, muss ich auch nicht anerkennen. Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert. Das gilt für 70 Prozent der türkischen und 90 Prozent der arabischen Bevölkerung in Berlin.“ Nach scharfer Kritik aus der Bundesbank schrieb Sarrazin in einer persönlichen Mitteilung, die am 1. Oktober 2009 veröffentlicht wurde, er habe „die Probleme und Perspektiven der Stadt Berlin anschaulich beschreiben“, nicht aber einzelne Volksgruppen diskreditieren wollen. „Sollte dieser Eindruck entstanden sein, bedauere ich dies sehr und entschuldige mich dafür.
„Europa braucht den Euro nicht“
In seinem im Mai 2012 erschienenen Buch „Europa braucht den Euro nicht“ sieht Sarrazin die einzige langfristige Chance für Europa in einem „Kontinent der Nationalstaaten, der seine Kräfte dort bündelt, wo es zweckmäßig ist, und dort individuelle Flexibilität lässt, wo das einzelne Land dies wünscht.“Der Euro sei jedoch ein Zwangskorsett, wodurch „aus der Krise des Währungssystems eine Legitimitätskrise des politischen Systems“ entstehe. Sarrazin nimmt außerdem Bezug auf eine Aussage von Helmut Schmidt, der eine Verbindung zwischen dem Euro und Deutschlands Schuld am Zweiten Weltkrieg gezogen hatte. Über die Befürworter von Eurobonds unter SPD, den Grünen und der Linkspartei schreibt er: „Sie sind außerdem getrieben von jenem sehr deutschen Reflex, wonach die Buße für Holocaust und Weltkrieg erst endgültig getan ist, wenn wir all unsere Belange, auch unser Geld, in europäische Hände gelegt haben.“
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kritisierte Sarrazin mit den Worten: „Seine Methode, so zu tun, als ob es Denk- oder Sprechverbote in Deutschland zu bestimmten Themen gibt, gegen die er dann verstößt, hat etwas sehr Kalkulierendes. Und ist dann auch noch unsinnig.“ Auch Politiker der SPD und der Grünen kritisierten die Thesen des Buches und warfen Sarrazin „Geschichtsvergessenheit und Geschichtsblindheit“, „D-Mark-Chauvinismus“ und „nationalistische und reaktionäre“ Thesen vor.
Henryk Broder dagegen kommentierte in der „Welt“: „Weil er die deutsche Europa-Politik mit der Buße für den Holocaust begründet, wird Thilo Sarrazins neues Buch verdammt, bevor es gelesen wurde.“ Sarrazin leiste sich, „den Luxus eigener Gedanken. Möglich, dass er gelegentlich spinnt. Man kann ihn dafür kritisieren, ihm aber das Wort verbieten zu wollen, zeugt von einer totalitären Gesinnung seiner Kritiker, die ansonsten bei jeder Gelegenheit für den ‚Dialog der Kulturen‘ ohne Vorbedingungen plädieren.“
Im November 2012 erhielt Sarrazin den von der Verlagsgruppe „markt intern“ gestifteten Deutschen Mittelstandspreis. In der Begründung hieß es, man zeichne Sarrazin wegen seiner publizistischen Auseinandersetzung mit der Eurokrise aus, die auch vor unbequemen Wahrheiten und Repressalien „seiner“ SPD nicht zurückschrecke. Er habe die Konstruktionsfehler des Euro fundiert und allgemeinverständlich herausgearbeitet und klar formulierte Handlungsalternativen zur Lösung der Krise aufgezeigt.
Am 20. Juni kann jede Besucher der Veranstaltung im Badenweilerer Römerbad selber ein Bild über diesen Provokateuren Autor machen.
Karten zu Römerbaddialog kosten im Vorverkauf 15 Euro und in der Abendkasse 19 Euro. Tickets können die Interessierten unter www.reervix.de oder direkt an der Hotelrezeption kaufen.
Das Grandhotel Römerbad bietet für seine Gäste auch Übernachtungsmöglichkeiten, Anfragen:
Telefon: + 49 (0) 7632700, Fax: + 49 (0) 763270200, E-Mail: [email protected]
Weitere Informationen über das Hotel www.hotel-roemerbad.de
Badenweiler liegt im Markgräflerland, etwa 30 Kilometer südlich von Freiburg, in den ersten Hügeln des Südschwarzwaldes. Auch Basel (Schweiz) und Müllheim in Elsass (Frankreich) sind nicht weit entfernt. Die Kurstadt ist ein schöner Ort um zu entspannen, neue Energie zu tanken oder um sich aktiv zu erholen. Die Natur, das milde Klima und das vielseitige Freizeitangebot sorgen hier für erholsamen Urlaub.
Das historisches Grandhotel Römerbad http://www.hotel-roemerbad.de/das-haus/historie bekam am 25. August 1823 Baugenehmigung von das Großherzogliche Staatsministerium Karlsruhe. Viele prominente Persönlichkeiten wohnten hier, unter ihnen bekannte russische Dichter und Schriftsteller Anton Tschechow (1860-1904).
Pressefoto von Thilo Sarrazin: © Tanja Schnitzler
Foto von Vladimir Saal: © Werner Siebert
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