Wer sich von Berlin in Richtung Osten aufmacht, wer über Thorn (Torun´) und Allenstein (Olsztyn) fährt und hinter Suwałki die polnisch-litauische Grenze überquert, dem kann es passieren, dass er auf dem Weg nach Klaipeda und der Kurischen Nehrung durch ein Städtchen namens Willkischken (Vilkyškiai) kommt.
In diesem Städtchen könnte ihm nicht nur ein gepflegtes, deutschsprachiges Kriegerdenkmal auffallen, sondern auch eine Johannes-Bobrowski-Dauerausstellung im Gemeindehaus neben der frisch renovierten Kirche. Wem dieser deutsche Dichter unbekannt ist, der kann ihn in dieser unerwarteten Ausstellung kennenlernen.
Johannes Bobrowski wurde 1917 im benachbarten Tilsit, dem heutigen Sowjetsk im russischen Königsberger Gebiet, geboren und besuchte später das Kant-Gymnasium in Königsberg (Kaliningrad).
Sehr früh schon hatte Bobrowski ein feines Gespür für die übernationale Prägung des ostpreußisch-memelländischen Landstriches, in dem er aufwuchs.
Wie andere Schüler sich gerne mit den verfolgten Indianern in Amerika identifizieren, so interessierte er sich empathisch für das in dieser Region untergegangene Volk der Pruzzen und studierte die Mythologie der baltischen Völker.
Seine tiefe Verwurzelung im lutherischen Christentum – seine Eltern und später auch er selbst gehörten zur Bekennenden Kirche – feite ihn vor der nationalsozialistischen Propaganda.
All seine Sommerferien als Schüler verbrachte Bobrowski bei Verwandten auf der gegenüberlegenden Memelseite, in Willkischken und Motzischken (Mociškiai).
Diese sanfte Hügellandschaft des Memellands wird später immer wieder wie ein Kindheits-Urbild seine Gedichte durchziehen und ist Schauplatz seines Romans „Litauische Claviere“.
Aber es ist nicht nur die schöne, fruchtbare, ihn umgebende Landschaft, die er auf sich einwirken läßt und die ihn durchdringt, sondern es sind auch und vor allem die darin lebenden Menschen: Deutsche, Litauer, Russen, Polen und „unter ihnen allen die Judenheit“, die er mit wachen Sinnen in ihrem Mit- und Gegeneinander wahrnimmt.
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