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Herr Erler, der deutsche Vorsitzende des Petersburger Dialogs Ronald Pofalla meinte auf der Pressekonferenz, dass die Kritik von der deutschen Seite in der Krim-Frage nicht nachlassen wird im Laufe der Zeit. Also wird das quasi immer im Wege stehen?
Ich glaube, wir müssen da zwei Dinge unterscheiden. Bei der Krim ist es einfach so, dass wir einen klaren Standpunkt haben. Wir sagen, das hat gegen die europäische Friedensordnung verstoßen, ist eine Grenzveränderung, ist eine Missachtung der Souveränitätsrechte der Republik Ukraine. Das sind drei Dinge, die seit Helsinki und Paris in der europäischen Friedensordnung nicht zulässig sind. Das war ein Verstoß. Und darüber können wir nicht zur Tagesordnung übergehen. Aber das steht im Augenblick gar nicht im Vordergrund. Die Krim ist nicht Gegenstand von Verhandlungen, ist auch nicht Gegenstand von Friedensbemühungen. Das ist aber der Fall mit der Ostukraine. Da haben wir den Normandie-Prozess, da haben wir die trilaterale Kontaktgruppenarbeit in Minsk, da haben wir das Minsker Abkommen, das nicht vom Fleck kommt. Deswegen versucht man, beides auseinanderzuhalten, weil wir ganz genau wissen: Wenn wir das Thema Krim noch hineinmischen in den Minsker Prozess, dann wird überhaupt nichts mehr laufen. Wir haben jetzt diese Tatsache, dass Russland sich offener gezeigt hat für einen eventuellen Blauhelmeinsatz in der Ostukraine. Das muss jetzt getestet werden, ob man sich auf ein Mandat, einen Umfang und Konditionen einigen kann. Das ist bisher noch nicht der Fall.
Sehen Sie ein wachsendes Verständnis für russische Sicherheitsinteressen?
Das ist hier eine Gelegenheit, sich auszutauschen und wenigstens zu versuchen, sich gegenseitig zu verstehen. Natürlich fällt uns das schwer, sich darauf einzulassen, dass Russland bedroht ist, wie natürlich genauso gut umgekehrt Russland verneint, dass es irgendeine Bedrohung für die baltischen Staaten oder für Polen darstellt, die immer noch von der Art und Weise geschockt sind, wie die Krim sozusagen hinübergezogen worden ist und sich vorstellen könnten, dass so etwas Ähnliches auch mit den hohen Anteilen russischsprachiger Bevölkerung in Estland und Lettland passieren könnte.
Halten Sie das für möglich?
Ich halte die Ängste für real. Wir müssen die Ängste als real erachten, auch wenn ich keinerlei Hinweise darauf habe, dass Russland das Krim-Szenario auf andere Ecken der Welt anwenden will. Aber Ängste sind real, und Ängste führen dann auch schon zu Aufrüstungsprozessen, zu mehr Stationierung von Soldaten, die sogenannten Re-Assurances, also Rückversicherungen militärischer Art.
Wodurch sich die Russen wiederum bedroht fühlen.
Ja. Das ist ein Eskalationsprozess. Und wir wissen im Augenblick gar nicht, wie wir den anhalten sollen. Da werden überhaupt keine Anstrengungen gemacht. Das geht bis hin zu dem Zwei-Prozent-Ziel der Nato, bis hin dazu, dass die Amerikaner gerade ihren Wehretat um 15 Prozent erhöht haben. Das wird alles begründet mit der aktuellen schwierigen Situation mit Russland.
Bischoff Wolfgang Huber hat gestern kritisiert, dass es auch im Petersburger Dialog Russland-Kritiker und Russland-Versteher gibt. Und er hat kritisiert, dass man erst verstehen müsste, um zu kritisieren. Sehen Sie auch eine Lagerbildung? Und inwieweit wirkt sich das auf die Gespräche aus?
Naja, ich bin auch selber oft schon da irgendwo eingeordnet worden. Ich halte gar nichts von dieser Eintütung von bestimmten Positionen. Natürlich gibt es Unterschiede in der Beurteilung der Situation. Trotzdem ist eine Lagerbildung erstens gar nicht angemessen für die Unterschiede, die wir haben, und zweitens führt sie nicht weiter. Sich intensiv mit der russischen zeitgeschichtlichen Entwicklung und auch mit dem, was die russische politische Klasse denkt, zu beschäftigen, macht schon Sinn, um Politik überhaupt zu verstehen und nachvollziehen zu können. Deswegen muss man sie nicht akzeptieren. Und das ist, glaube ich, der Punkt, der diese Sache mit den Russland-Verstehern und Russland-Kritikern so unsinnig macht.
Die Wirtschaft zwischen Russland und Deutschland läuft im Moment trotz Sanktionen erstaunlicherweise gut. Meinen Sie, dass das ein Weg sein könnte, auch die Politik wieder zu einer Annäherung zu bewegen?
Man muss sehr vorsichtig sein bei diesen Zahlen, weil wir Einbrüche von um die 40 Prozent seit dem Stichjahr 2013 gehabt haben. Wir hatten mal 80 Milliarden Handelsumsatz im Jahr 2013. Wir haben jetzt so etwa 48 Milliarden in diesem Jahr. Da gibt es jetzt eine Verbesserung, die bemerkenswert und auch gut ist, weil wir nie den Zweck verfolgt haben, diese Sanktionen als Eigenwert zu betrachten oder als ein Niederringen der russischen Wirtschaft. Das ist völlig lächerlich. Wir wollen diesen Handel auch nicht in irgendeiner Weise infrage stellen, sondern wir brauchen nur deswegen, weil wir uns für eine friedliche Lösung dieses Konflikts entschieden haben, irgendein Druckmittel, damit das glaubwürdig bleibt, weil die Alternative eine militärische Lösung ist.
Aber die USA wollen der russischen Wirtschaft schon schaden. Deren Sanktionen sind nicht an Bedingungen geknüpft.
Es ist völlig aussichtslos, die russische Wirtschaft fertigzumachen, auch nicht mit den Maßnahmen, die jetzt die Vereinigten Staaten von Amerika getroffen haben. Ich habe den Eindruck, dass die eher etwas mit amerikanischer Innenpolitik zu tun haben. Trump muss beweisen, dass er nicht in irgendeiner Weise verbandelt ist mit der russischen Seite, was seinen Wahlkampf angeht, und deswegen muss er Härte zeigen. Dazu kommen handfeste wirtschaftliche Interessen, das LNG, also das Liquid Natural Gas, das aus der Ölschieferproduktion stammt, mit Tankern nach Europa zu exportieren und die Russen vom Markt zu verdrängen. Das mag schon ein Interesse sein. Ich glaube nicht, dass das gelingen wird. Aber diese beiden Motive sehen wir natürlich in der amerikanischen Politik.
Wie ist Ihre Prognose für die Entwicklung speziell der deutsch-russischen bilateralen Beziehungen? Mal gesetzt den Fall, Putin und Merkel bleiben.
Der entscheidende Punkt ist die Ukraine-Politik. Ich glaube, dass unsere Beziehungen deutlich besser sein könnten in relativ kurzer Zeit, wenn die russische Politik sich hier eindeutiger verhalten würde und eindeutiger umsetzt, was sie selber unterschrieben hat. Sobald da positive Zeichen kämen, glaube ich, würden wir sehr schnell vorankommen, unabhängig, aber natürlich nicht völlig unabhängig dann von dem Krim-Thema.
Da müsste dann nur noch die Ukraine mitspielen.
Wir müssen auch auf die Ukraine Druck ausüben, denn auch dort wird das Abkommen verletzt. Wir wissen von den Beobachtern der OSZE, dass es auch immer wieder Waffenstillstandsverletzungen von ukrainischer Seite gibt. Das ist genauso wenig hinnehmbar wie die von russischer Seite, denn auch die Ukraine hat sich verpflichtet, das Minsker Abkommen umzusetzen. Es findet auch permanent Druck auf die ukrainische Seite statt. Bloß das wird nicht an die große Glocke gehängt, aber das passiert im Alltag in der Politik praktisch jede Woche.
Armin Siebert
Das Interview mit Gernot Erler zum Nachhören:
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